Meilenstein in der Klima- und Wetterforschung: Wetter- und Klimamodell ICON als Open-Source veröffentlicht
Die Wissenschafts- und Forschungsgemeinschaft in Deutschland und der Schweiz setzt einen Meilenstein in der Klima- und Wetterforschung: Seit heute, dem 31.1.2024, steht das renommierte Klima- und Wettermodell ICON der Öffentlichkeit unter einer Open-Source-Lizenz zur Verfügung. Dieser wegweisende Schritt trägt dazu bei, Wissenschaft und wissenschaftliche Dienste transparenter zu machen. Gleichzeitig werden weitere wissenschaftliche Fortschritte in einem Gebiet ermöglicht, von dem die Gesellschaft in Zeiten des Klimawandels besonders profitieren kann.
Das Icon-Modelsystem
Die Institutionen hinter ICON (ICOsahedral Non-hydrostatic modelling framework) und dessen heutige Entwickler sind das Schweizer Center for Climate Systems Modeling (Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz und ETH Zürich als C2SM- Partner), das Deutsche Klimarechenzentrum (DKRZ), der Deutsche Wetterdienst (DWD), das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sowie das Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M). Sie betonen ihre Verpflichtung, Wissenschaft im Dienste der Gesellschaft zu betreiben. ICON zeigt, wie gewinnbringend die Zusammenarbeit zwischen der Forschung und den nationalen Wetterdiensten ist: Die enge Kooperation mündet in sehr effizienten Wetterprognosen und Klimaprojektionen, von denen neben der Forschungsgemeinschaft vor allem auch die Gesellschaft profitiert. Die Bereitstellung des Codes ist ein wichtiger Schritt, um Vertrauen in die Wissenschaft und die Institutionen zu stärken.
ICON wurde zunächst gemeinsam von DWD und MPI-M als Atmosphären- bzw. Wettervorhersagemodell entwickelt und wird heute in Deutschland und der Schweiz für die operationelle Wettervorhersage eingesetzt. Im Hinblick auf die Klimaforschung hat das MPI-M passende Modelle weiterer Komponenten des Erdsystems entwickelt, die es erlauben, ICON als vollständig gekoppeltes Klima- und Erdsystemmodell zu nutzen. Neben der Modellkomponente für die Ozeanzirkulation gibt es eine für die marine Biogeochemie sowie für die Landbiosphäre und die hydrologischen Prozesse. Das KIT hat mit ICON-ART eine Modellkomponente entwickelt, welche die Vorhersage von Aerosolen und atmosphärischer Chemie und deren Wechselwirkung mit dem physikalischen Zustand der Atmosphäre erlaubt. Aerosole und chemische Zusammensetzung bestimmen die Luftqualität und beeinflussen auch Sonneneinstrahlung, Wolken und Niederschlag. Die für die Kopplung der Teilmodelle notwendige Softwarekomponente YAC wurde gemeinsam von DKRZ und MPI-M entwickelt und von Anfang an als Open Source veröffentlicht. Damit die Simulationen auch auf den aktuell weltweit schnellsten Supercomputern eingesetzt und effizient berechnet werden können, entwickelten die C2SM Partner ETH und MeteoSchweiz gemeinsam mit dem MPI-M, dem DKRZ und DWD eine ICON-Version, die GPUs (Graphics Processing Units) unterstützt.
Alle Teilmodelle und Versionen sind in dem Open-Source-Release enthalten, so dass ICON in verschiedensten Auflösungen und Konfigurationen genutzt werden kann, um eine ganze Bandbreite von Anwendungen – von globalen und regionalen Wettervorhersagen über Klimaprojektionen bis hin zu sehr hoch aufgelösten digitalen Zwillingen des Erdsystems – zu ermöglichen.
Offener Zugang zu Wissenschaft und Inovation
Die Bereitstellung des ICON-Modellcodes unter einer Open-Source-Lizenz bedeutet einen entscheidenden Schritt hin zu offener, transparenter, qualitätsgesicherter und kollaborativer Wissenschaft. Forscherinnen und Forscher weltweit erhalten die Möglichkeit, auf einem der führenden Modelle für Wettervorhersagen und Klimasimulationen aufzubauen und gemeinsam an zukunftsweisenden Projekten zu arbeiten. Zudem wird unter der Lizenz auch eine kommerzielle Nutzung möglich. Die Veröffentlichung erfolgt vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Forschungslandschaft, die eine verstärkte Zusammenarbeit und den Austausch von Erkenntnissen fördert.
"Die Bereitstellung des ICON-Modellcodes als Open Source trägt nicht nur dazu bei, die Zusammenarbeit zwischen Forschung und nationalen Wetterdiensten zu intensivieren, sondern bietet auch der gesamten Gesellschaft die Möglichkeit, von modernsten Entwicklungen in der Klima- und Wetterforschung zu profitieren", so Prof. Roland Potthast, Leiter der Abteilung Meteorologische Analyse und Modellierung beim Deutschen Wetterdienst.
Die Open-Source-Veröffentlichung erleichtert die Einbindung von ICON in internationale Forschungskooperationen und stärkt die Position Europas auf dem Gebiet der Klima- und Wetterforschung. Zudem ermöglicht sie eine effizientere Zusammenarbeit mit Herstellern von Supercomputern, die die Leistungsfähigkeit ihrer Hardware mithilfe von Wetter- und Klimamodellen testen und verbessern können.
Wissenschaftlicher Nutzen und breitere Anwendung
Prof. Bjorn Stevens, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie, sagt: ”Die Open-Source-Veröffentlichung von ICON ist ein wichtiger Meilenstein. Aus wissenschaftlicher Sicht ist dieser Schritt spannend, weil er uns ermöglicht, ein breiteres Spektrum an Fachwissen zu nutzen, um die neuen Informationstechnologien besser auszuschöpfen. Diese Technologien werden uns helfen, rechnerische Barrieren zu überwinden, noch detailliertere und realistischere Modelle zu ermöglichen und so die Grenzen des Wissens zu verschieben. So können wir neue Arten von Fragen stellen oder alte Fragen besser beantworten.”
Das eigens entwickelte Community-Interface ComIn beispielsweise ermöglicht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, das ICON-Modell durch eigene Plug-Ins zu erweitern, ohne den komplexen Modellcode ändern zu müssen. Dies fördert nicht nur die Flexibilität in der Forschung, sondern entfesselt auch die Innovationskraft innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft.
Corinna Hoose, Professorin am Institut für Meteorologie und Klimaforschung Troposphärenforschung des KIT, ergänzt: “Mit der Open-Source-Stellung von ICON-ART wird die Weiterentwicklung und Anwendung des Modells für Umweltvorhersagen, z. B. von Luftqualität, vereinfacht und einer größeren Wissenschafts- und Nutzungsgemeinschaft zugänglich gemacht. Wir als Forschende am KIT freuen uns darauf, zusammen mit den anderen ICON-Partnern und Anwendern und Entwicklern aus der ganzen Welt ICON in Zukunft weiter zu verbessern und die Fähigkeiten des Modells zu erweitern!”